Fachkräftemangel – eine Bedrohung für Unternehmen und Branchen
Von Fachkräftemangel wird dann gesprochen, wenn eine signifikante Anzahl an offenen Arbeitsplätzen nicht durch Mitarbeitende mit den dazu passenden Fähigkeiten besetzt werden kann. In der Schweiz hat sich die Formel «1 freie Stelle mit < 2 Bewerbern» durchgesetzt (Bundesamt für Statistik).
Gemäss aktuellen Studien betrifft der Fachkräftemangel inzwischen jedes vierte KMU. Viele Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden bei der Flexibilität der Arbeitsbedingungen. Wurde dies beim Ausbruch und während der Covid-Pandemie notgedrungen nur punktuell getan, geht es zwischenzeitlich darum, als Arbeitgeber auch attraktiv zu bleiben.
Der Fachkräftemangel nimmt zu und Organisationen bekunden immer mehr Mühe, geeignetes Personal zu finden. Während nach der Pandemie spezifische Branchen wie Tourismus oder Gastronomie stark von Personalengpässen betroffen waren, verteilen sich diese inzwischen über alle Branchen – sowohl im Gesundheits- als auch im Sozialwesen, bei Dienstleistern, aber auch im Bau und in der Informationstechnologie. Dazu leistet unter anderem die sehr tiefe Arbeitslosigkeit (Anfang 2023 +/- 2%) ihren Beitrag.
Was sind die Gründe für den Fachkräftemangel in der Schweiz?
Der Fachkräftemangel ist facettenreich. Für seine Zuspitzung in den letzten Jahren gibt es verschiedene Gründe. Im Grundsatz sind die dynamischen Märkte der Auslöser. Die Schweiz ist in erster Linie ein Einwanderungsland, und sobald die Einwanderungsrate sinkt, wächst der Fachkräfteengpass. Die Alterspyramide wird zudem oft als Grund für den Fachkräftemangel hervorgehoben. Die Babyboomer-Generation (Jahrgänge 1946 – 64) geht in Rente bzw. ist bereits grösstenteils pensioniert und die Geburtenrate ist zu niedrig, um diese erfahrenen Fachkräfte einfach so zu ersetzen. Die Arbeitswelt verändert sich konstant und mittlerweile gibt es mehr Jobs mit hohen Anforderungen als noch vor zehn Jahren. So steht manches Unternehmen vor der Wahl, entweder unzureichend ausgebildetes Personal mit grossem Aufwand nachzuschulen (Re-Skilling) oder Fachkräfte über den Faktor Lohn anzulocken und sie bisweilen von der Konkurrenz abzuwerben. Das duale Bildungssystem in der Schweiz ist wohl weltweit einmalig, jedoch scheint sich der Trend zuzuspitzen, dass viele Jugendliche eher den Weg über ein Studium einschlagen als eine Lehre anzustreben.
Wie sieht die Transformation diesbezüglich aus?
Während knapp 70% der Industrieunternehmen und über 75% der Dienstleistungsunternehmen flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice und flexiblere Arbeitszeitregelungen bereits umgesetzt haben, herrscht bezüglich Erweiterung der Lohnnebenleistungen wie Weiterbildungsmöglichkeiten noch weitgehend Untätigkeit: Erst 14% der Industriebetriebe und 23% der Dienstleistungsbetriebe haben dies umgesetzt. Über 50% der KMU planen trotz angespannter Arbeitsmarktsituation keine Veränderungen.
Was können Unternehmen tun, um ihre Attraktivität zu behalten?
Faktoren wie der demografische Wandel sind gegeben und können nicht beeinflusst werden. Mitarbeitende – insbesondere auch die jungen Generationen wie die GenZ – berücksichtigen neben dem klassischen Lohn auch weitere Faktoren wie Arbeitsbedingungen, Unternehmenskultur, Familienfreundlichkeit und Entwicklungsmöglichkeiten. Gerade Letzteres bedeutet für KMU, dass sie ihre Mitarbeitenden mittels Weiterbildung weiterentwickeln können, um deren Loyalität zu stärken. Im Entscheidungsprozess potentieller Mitarbeitenden stehen Bewertungsportale (Jobportale, Google Rezensionen der KMU oder Plattformen wie kununu.ch) hoch im Kurs. Wer sich in einem KMU wohl fühlt, wird nicht mehr so schnell wechseln. Kleine Unternehmen tun sich zudem gut daran, die Diversität zu fördern. Der Anteil von Frauen als Fachkräfte ist immer noch viel zu gering. Ein weiteres Phänomen ist, dass Arbeitskräfte über 50 deutlich mehr Mühe haben, im Arbeitsmarkt wieder Fuss zu fassen, obwohl sie fachlich besser qualifiziert sind als jüngere. Die Vereinbarkeit von Job und Familie hat sich während der Pandemie etabliert, auch KMU sind inzwischen gefordert, den Mitarbeitenden gewisse Freiheiten wie Homeoffice, Teilzeitmodelle oder Gleitzeit zu gewähren.