Die Lernkultur: Nährboden für das Lernen

Die Lernkultur bündelt die Gesamtheit aller Wertvorstellungen, Denkmuster, Handlungsweisen und Rahmenbedingungen eines KMU und seiner Mitarbeitenden hinsichtlich der Förderung und Pflege von Lernen und Wissenstransfer. Berufe und Funktionen sind im steten Wandel. Anforderungen und Kompetenzen verändern sich. Mit einer starken und etablierten Lernkultur unterstützen KMU ihre Mitarbeitenden bei aktuellen und zukünftigen Herausforderungen und sichern sich nebenbei Differenzierungsmöglichkeiten und Wettbewerbsfähigkeit.

Kompetenzen aktiv entwickeln und im Betrieb etablieren

Die Lernkultur ist ein wichtiger Teil der gesamten KMU-Kultur und beschreibt die gemeinsamen Werte, Einstellungen, Handlungen und Rahmenbedingungen, die das KMU und seine Mitarbeitenden zum Lernen und Wissen haben. Sie definiert auch den Stellenwert, den das Lernen im Betrieb einnimmt. Im Vordergrund stehen der Lernprozess und die Rahmenbedingungen, um Kompetenzen aktiv zu entwickeln und nachhaltig innerhalb der Organisation zu etablieren. In Zeiten der digitalen Transformation geht es aber nicht nur um formale Weiterbildung, sondern auch um agiles, selbstorganisiertes und eigenverantwortliches Lernen. Neben einem externen Weiterbildungsangebot, einer Zusammenarbeit mit einem Bildungsanbieter oder Inhouse-Trainings basiert eine neuzeitliche Lernkultur auch auf modernen E-Learning-Tools, informellem Lernen und einem Mindset Change. Wissen soll über Hierarchie- und Abteilungsgrenzen hinweg ein fester Bestandteil im Arbeitsalltag sein.

Warum braucht es eine Lernkultur in KMU? 

Der Megatrend Digitalisierung und die darauf aufbauende digitale Transformation, die Covid19-Pandemie, aber auch aktuelle geopolitische Veränderungen brachten und bringen weitere tiefgreifende Veränderungen mit sich. Wissen aus der beruflichen Grundausbildung reicht nicht mehr fürs ganze Berufsleben. In den letzten Jahren hat sich nicht nur der Wissenszuwachs beschleunigt, auch die Komplexität von Zusammenhängen hat zugenommen. Der Druck auf Arbeitnehmende ist dadurch stark gestiegen. Immer neue Fähigkeiten und Kompetenzen müssen erlernt und unverzüglich angewendet werden. Lebenslanges Lernen ist somit kein Marketing-Hype der Bildungsanbieter, sondern eine Notwendigkeit. Eine starke und verankerte Lernkultur verschafft den Unternehmen einen Marktvorteil.

Best Practice Tipps: 

  • Kompetenzen sollten intern aufgebaut werden. Dies erhöht sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die Unabhängigkeit. 
  • Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten sind ein Anreiz für bestehende Mitarbeitende, im Betrieb zu bleiben, und zugleich ein Anziehungspunkt für potentielle neue Mitarbeitende, sich zu bewerben.
  • Eine aktive Lernkultur fördert Soft Skills wie Selbstreflexion, Flexibilität, Neugierde, unternehmerisches Denken oder Offenheit. Veränderungen werden so auch rascher akzeptiert.  
  • Eine starke Lernkultur mündet oft in eine lernende Organisation. Dazu gehört die Fähigkeit, sich konstant weiterzuentwickeln und auf neue Herausforderungen proaktiv zu reagieren.

Schlüsselfaktoren für eine Lernkultur

  • Lernen soll Freude bereiten.  
  • Lernen soll flexibel sein – sowohl zeit- wie auch ortsunabhängige Möglichkeiten.  
  • Lernen muss (mindestens zu einem gewissen Teil) digitalisiert werden, um die Flexibilität zu gewährleisten. 
  • Lernen soll effizient sein – d.h. lieber wöchentlich kleine Häppchen als nur einmal im Jahr während des Betriebsausflugs.

Prozess und Etablierung einer Lernkultur

Eine zukunftsfähige Lernkultur im KMU baut auf drei Ebenen auf:

Ebene Unternehmenskultur und Führungsverständnis

Der Personalbedarf inklusive der dazugehörigen Planung soll strategisch auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet werden. Ein KMU sollte wissen, welche aktuellen und zukünftigen Kompetenzen gebraucht werden und welche Anforderungen verändernde Jobprofile mit sich bringen. Fach- und Führungskräfte haben einen wichtigen Einfluss auf die Lernkultur.

Best Practice Tipps

  • Leben Sie lebenslanges Lernen vor. 
  • Ermutigen Sie Teams, aktuelles und neues Wissen weiterzugeben und Schwächen in Stärken umzuwandeln. 
  • Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitenden Lernzeit. Schon eine Stunde pro Woche ist besser als nichts. Training ist hier nicht immer der einzige Schlüssel zum Erfolg. Auch die Neugierde, neue Methoden oder Tools auszuprobieren, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Geben Sie den Mitarbeitenden Zeit, sich über Aktuelles auszutauschen.
  • Lassen Sie Fehler zu, denn aus diesen kann gelernt werden.

Ebene Organisation & Struktur

Um Lernen möglichst flexibel in den Arbeitsalltag einzubinden, werden digitale Lernangebote immer wichtiger. Grössere Unternehmen setzen auf eigene Lernplattformen oder errichten diese gemeinsam mit einem Bildungsanbieter. Kleinere Unternehmen setzen auf andere Gefässe wie kostenloses WiKi oder ein «Schwarzes Brett». Die Technologie ist insofern schon so weit, dass mittels Künstlicher Intelligenz den Mitarbeitenden individuelle Vorschläge für passende Lerninhalte gemacht werden können. Ebenso bieten viele Bildungsanbieter neben dem klassischen Präsenzunterricht auch Hybrid-Kurse an. Charles Jennings ist ein Verfechter des informellen Lernens. Nach seiner Einschätzung werden Kompetenzen zu 70 Prozent während der beruflichen Herausforderungen erworben und zu 20 Prozent im beruflichen Umfeld im Austausch mit Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen. Nur 10 Prozent des Wissens stammt aus der organisierten Weiterbildung.

Best Practice Tipps:  

  • Wissen, wo Wissen zu finden ist: Bieten Sie Ihren Mitarbeitenden eine Plattform an, auf der Wissen geteilt werden kann. Das kann ein kostenfreies KMU-Wiki wie MediaWiki oder TikiWiki oder ein integraler Bestandteil der Website sein. Auch YouTube bietet heute sehr hilfreiches und ergänzendes Wissen. 
  • Job Shadowing: Neue Mitarbeitende schauen erfahrenen Kollegen über die Schulter und lernen so gleich «on the job». Hier empfiehlt sich ein ausgewogenes Einarbeitungsprogramm, wo das Job Shadowing aktiv von neuen Mitarbeitenden eingefordert wird.  
  • Peer-to-peer Learning: Interne Expertinnen und Experten geben ihr Wissen an ihre Kollegen weiter. Vermittelt werden kann dies in Form von klassischen Inhouse-Trainingseinheiten, über Lern-Communities oder bspw. über selbstgemachte Videos, die auf einer internen Lernplattform zur Verfügung gestellt werden. Auch hier lässt sich der Aufwand minimieren, indem beispielsweise Videos einfach mit dem Mobiltelefon oder mit einer Videokonferenzlösung wie Zoom aufgenommen werden.  
  • Microlearning: Kurze, knackige Lerneinheiten, in Form von Kurzseminaren (maximal 1 Tag) oder Kurzvideos (hier empfehlen sich Kurzsequenzen von maximal 4 Minuten und ein Lernblock von maximal 40 Minuten).

Ebene Selbstverantwortung

Die Einstellung der Mitarbeitenden ist ein wichtiger Erfolgsgarant für eine funktionierende Lernkultur. Je mehr sich Mitarbeitende einbringen können, desto wachsamer ist die Haltung gegenüber Wissen und Lernen. Unternehmen können Mitarbeitende beim Evaluieren von Kompetenzlücken unterstützen, ihnen aber auch die Entscheidungsfreiheit geben, den eigenen Lernweg zu gehen.

Best Practice Tipps:  

  • Thematisieren Sie «Lernen und Wissenstransfer» nicht nur im Jahresgespräch, sondern mehrmals während des Jahres.  
  • Hol- und Bringschuld: Lebenslanges Lernen ist sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmersache.

Wie sieht die Lernkultur bei Ihnen aus?

  • Welche Lernangebote bieten Sie zurzeit an?  
  • Liegt der Schwerpunkt eher auf Präsenztraining oder kommen auch digitale Lernformate zum Einsatz? 
  • Wird das Angebot für alle Mitarbeitende angeboten (bspw. auch für diejenigen, die nicht im Büro arbeiten)?  
  • Wie intensiv und regelmässig nutzen Ihre Mitarbeitenden das Angebot?  
  • Welchen Stellenwert hat das Lernen und Wissen im Unternehmen?

Wie sieht es mit der Finanzierung von Weiterbildung aus?

Weiterbildungskosten können gerade für kleinere KMU rasch ins Unerschwingliche gehen. Hier stellen sich jeweils Fragen, wer welchen Teil bezahlt und ob Verpflichtungen eher bremsen als beflügeln. Kosten für angeordnete Weiterbildung bezahlt grundsätzlich der Arbeitgeber. Auch Einführung, produktspezifische Ausbildungen oder Umschulungen können den Mitarbeitenden nicht in Rechnung gestellt werden.

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